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In Mori (Stockelsdorf) bei Lübeck aufgewachsen, habe ich bereits von 1916 bis 1918 am Ersten Weltkrieg im Füsilierregiment "Königin" Nr. 86 teilgenommen. Im August 1939 wurde ich als Veteran in die Wehrmacht eingezogen. In diesem Blog veröffentliche ich mein Kriegstagebuch.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Der Vorbeimarsch an Schloß Wilhelmshöhe

Die Regimentschronik gibt weitere Details des Vorbeimarsches, die "zweifelhafte[n] Elemente in Marineuniform" werden nicht erwähnt:
 
 In den folgenden 14 Tagen marschierte das Regiment im Gebiet der Eder und Fulda, am 20. Dezember wurde Kassel erreicht. Hier durfte die Division noch einen erhebenden Augenblick empfingen. Bei Schloß Wilhelmshöhe hatte sie die Ehre, an ihrem Feldherrn vorbeimarschieren zu dürfen. Wie ein Recke der Vorzeit seine Umgebung überragend, stand Generalfeldmarschall von Hindenburg am Wege. Klar und weithin vernehmlich Klang sein „Guten Morgen, Kameraden!“ über die Kolonnen. Wer an diesem Tage des Feldherrn verehrtes Haupt erblickte, wird den Anblick verhaltenen Schmerzes in diesen ehernen Zügen nicht wieder vergessen.
Das Regiment marschierte durch Kassel und ward in der Umgegend von hann. Münden untergebracht.


Anmerkung:
1918 wurde das Schloss Wilhelmshöhe für drei Monate Sitz der Obersten Heeresleitung; von hier aus organisierte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg mit seinem Stab die Demobilisierung der deutschen Truppen.
 
The regimental chronicles provide further details of the parade, the "dubious elements in marine uniform" are not being mentioned:

During the following 14 days the regiment marched through the Eder and Fulda area, on December 20th, Kassel was reached. Here the division was to receive an enlightening moment. At Castle Wilhelmshöhe it had the honor to parade their Supreme Commander. Like a champion from time immemorial towering above his surroundings, General Hindenburg stood next to the route. Clearly and audible to the distance his "Good morning, comrades!" sounded above the columns. Who ever saw the face of the venerated commander that day, will never forget the sight of suppressed pain in these iron features.
The regiment marched through Kassel ws billeted in the surrounding area of Hannoversch Münden.


Note:
In 1918, Castle Wilhelmshöhe was the headquarter of Supreme Army Command; from here, Field Marshal General Paul von Hindenburg organized the demobilization of the german army together with his staff.


FRA IT

Der alter Weserstein

Der Weserstein, Quelle: Wikipedia.org
Der (alte) Weserstein ist ein am 2. September 1899 eingeweihter Gedenkstein, der auf den Beginn der Weser hinweist. Das symbolträchtige Datum des Sedanstags passt zur patriotischen vierten Zeile der Inschrift:

Wo Werra sich und Fulda küssen
Sie ihre Namen büssen müssen,
Und hier entsteht durch diesen Kuss
Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss.


Hann. Münden, d. 31. Juli 1899





Größere Kartenansicht 

 
The (old) Weser stone is a memorial stone that was put up on September 2nd, 1899, pointing out the beginning of the river Weser. The highly symbolic date of the Sedan day [note: Battle of Sedan, Sep. 2nd, 1870] matches the patriotic fourth line of the inscription:

"Where Werra and Fulda do kiss
and they forfeit their names,
here a riveris created by this kiss,
german up to the ocean the river Weser."

[note: literally translated poem]


FRA IT

20. Dezember 1918


Morgens rücken wir der Abteilung nach über Elgershausen nach Kassel. Vor dem Schloß Wilhelmshöhe findet ein Vorbeimarsch unserer Division vor Hindenburg statt.
Zweifelhafte Elemente in Marineuniform versuchen, störend einzugreifen, doch vergebens. Kassel ist eine sehr schöne Stadt. Malerisch liegt das Schloß Wilhelmshöhe, zu dem terrassenartig breite Stufen hinaufführen. Es ist sehr hoch im Habichtswald gelegen, und der Herkules ist schon von sehr weitem zu sehen. Nach Beendigung des militärischen Schauspiels marschieren wir weiter über Sandershausen, Landwehrhagen, Lutterberg nach Hann. Münden. Hier werden wir alle in Einzelquartieren untergebracht, mit denen im allgemeinen jeder zufrieden ist. Ich komme zu der Familie Wilhelm Ludwig, Vogelsang 1093.


Bei meinen Quartiersleuten, einem alleinstehenden älteren Ehepaar (der Mann arbeitet als Schustergeselle in der Stadt) habe ich es sehr gut. Mit dem Neffen schlafe ich in einer Stube. Ich habe ein schönes Bett für mich, nehme sämtliche Mahlzeiten bei meinen Gastgebern ein und brauche mir kein essen von unserer Feldküche zu holen. Sogar ein Klavier steht mir zur freien Benutzung zur Verfügung. Oft Spiele ich mit dem Neffen zusammen, er Klavier und ich Geige. Herr und Frau Ludwig tun alles Mögliche für mich. Hann. Münden ist sehr schön am Zusammenfluß von Fulda und Werra gelegen.
Am Zusammenfluß steht der Weserstein mit der bekannten denkwürdigen Inschrift. Die Stadt hat ihr mittelalterliches Gepräge gut bewahrt. Sie ist nicht gerade groß; aber man fühlt sich heimisch in ihren Mauern. Einen prächtigen Anblick bieten die vielen Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter.
Die Umgebung der Stadt mit den vielen bewaldeten Höhen ist sehr reizend. Zusammen mit zwei Kameraden werde ich bestimmt, auf dem Postamt Dienst zu machen und dort den Postmädels, den Telephonistinnen und Telegraphistinnen bei ihrer anstrengenden Arbeit zu helfen. Die Mädels sind über diese Mithilfe natürlich sehr erfreut und nehmen die Dienste von Rudi, Bubi und Didi gerne an.
Wir werden in alle Einzelheiten eingeweiht, sitzen mit an den Klappenschränken, geben Telegramme durch, nehmen Ferngespräche auf, tragenTelegramm- und Fernsprechgebühren ein, usw. Ich nehme sogar Morsetelegramme auf. Eigentlich sollen wir nur Nachtdienst verrichten, wir sind aber auch meistens am Tage da. Ein Kamerad von mir wohnt im 1. Stock desselben Hauses im Vogelsang, bei der Familie Brinck, ebenfalls sehr netten Leuten. Mit Herrn Brinck, einem Bahnbeamten, gehen wir zuweilen nachmittags oder abends aus. Er zeigt uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt; mit ihm gehen wir auch auf die Tillyschanze.



  In the morning we follow the detachment via Elgershausen to Kassel. At the Castle Wilhelmshöhe our division parades in front of Hindenburg.
Dubious elements in naval uniforms try to disturb the parade, but to no avail. Kassel is a very beautiful town. Wide steps lead up the terraces to the picturesquely situated castle. It is located high up in the Habicht forest, and the Herkules monument can be seen in the far distance. After the military spectacle has ended, we march on to Hannoversch Münden via Sandershausen, Landwehrhagen and Lutterberg. Here, we get billeted into single quarters, which in general accomodate everyone well. I get assigned to family Wilhelm Ludwig, Vogelsang 1093.

I have a good life at my hosts, an older married couple (the husband works as a shoemaker in the town). I share a bedroom with the nephew. I have a nice bed for me alone, have all meals together with my hosts and not need to pick up food at our field canteen. Even a piano is available to my free use. Often I play together with the nephew, he plays the piano and I play the violin. Mr. and Mrs. Ludwig care for me very well. Hannoversch Münden is beautifully situated at the river junction of Fulda and Werra.
At the junction, there is the Weserstein [note: Stone of Weser] with the well-known inscription. The town has kept its medieval image well. It is not big; but feels at home within its walls. All the medieval frame houses show a magnificent sight.
The surroundings of the town with its hills and forests are very lovely. Togehter with two comrades I get ordered to do service in the post office and to support the telephone and telegraph girls with their hard work. The girls are happy about the help and gladly do accept the support of Rudi, Bubi and Didi. We get introduced into all the details, sit at the phone cupboards, tranfser telegrams, pick up long distance calls, register fees for telegrams and phone calls, etc. I even receive morse telegrams.
Actually, we only were to do the nightly post service, but often we are also here at daytime. One of my comrades is accomodated in the first floor of the same house in Vogelsang, at the Brink, famliy, who are also very nice persons. Sometimes, we join Mr. Brink, a former railway employee, in the afternoons or evenings. He shows the town's sights to us; we also accompany him to the Tillyschanze.

FRA IT